Egal ob auf diplomatischer, wirtschaftlicher oder kultureller Ebene: Die Entwicklung der Beziehungen zwischen China und den USA haben sich in den letzten Jahrzehnten enorm gewandelt. Als Ausgangspunkt dieses Prozesses ist sicherlich der China-Besuch von US-Präsident Richard Nixon im Jahr 1972 zu sehen. Dieses Ereignis und die sich daran anschließende Normalisierung der sino-amerikanischen Beziehungen feiert im Jahr 2012 seinen 40. Geburtstag. Yang Hongxi, Wissenschaftler des China Center for Contemporary World Studies, nimmt diesen Jahrestag zum Anlass, um in seinem Blog das Verhältnis der beiden internationalen Schwergewichte zu analysieren. Eine Übersetzung von Tobias Adam.
China und die USA – eine gesunde Partnerschaft?
Seit Beginn von Reform und Öffnung hat China stets sein Augenmerk auf die Beziehungen zu Amerika gelegt und sich sehr darum bemüht, eine stabile, gesunde und nachhaltige Entwicklung der strategischen Partnerschaft zwischen China und den USA zu fördern. Im Jahr 2012 feiern China und Amerika nun den 40. Jahrestag der Veröffentlichung des Shanghaier Kommuniqués.
Es war vor 40 Jahren, als die erste Generation von chinesischen Führungskräften mit Weitsicht die Normalisierung der sino-amerikanischen Beziehungen vorantrieb. Von diesem Zeitpunkt an legte China immer großen Wert auf die Beziehungen zu Amerika. Dieser Prozess wurde noch verstärkt, als man im Jahr 1979 diplomatische Beziehungen aufnahm. […]
Vor nicht allzu langer Zeit, als Xi Jinping – Vizepräsident und stellvertretender Vorsitzender der Zentralen Militärkommission – [am 13.02.2012] ehemalige Größen der amerikanischen Politik wie Henry Kissinger traf, hielt er eine die sino-amerikanischen Beziehungen betreffende enthusiastische und strategisch wichtige Rede und betonte noch einmal die unveränderte Haltung der chinesischen Regierung gegenüber den USA.
Vizepräsident Xi Jinping bemerkte, resümiere man die Erfahrungen und Lehren aus 40 Jahren Entwicklungsverlauf der sino-amerikanischen Beziehungen, dann sei es sehr wichtig, der Förderung einer anhaltenden, gesunden und stabilen Entwicklung der Beziehungen eine wichtige Bedeutung bei zu messen.
Es ist sowohl die gemeinsame Verantwortung beider Seiten, als auch die einheitliche Erwartung der internationalen Gemeinschaft, dass man die anhaltende, gesunde und konstante Entwicklung der sino-amerikanischen Beziehungen fördert.
Die chinesische Seite hofft dabei, dass Amerika Chinas strategische Absichten und seinen Entwicklungspfad richtig bewertet, um das gegenseitige Vertrauen zu bestärken. Die chinesische Seite ist Willens, Amerika ehrlich und fair zu behandeln und einen Beitrag für den asiatisch-pazifischen und sogar den weltweiten friedlichen und nachhaltigen Aufschwung* zu leisten […].
Die USA und China: zwei politische Schwergewichte mit großer Verantwortung
China und die USA pflegen seit 40 Jahren in Bereichen wie der Wirtschaft, Sicherheitspolitik, Kultur und Wissenschaft wahrlich eine enge Austauschbeziehung. Die Zusammenarbeit in Wirtschaft und Handel hat sich sprunghaft entwickelt, so dass beide Seiten sich bereits zur zweitgrößten Handelspartnerschaft entwickelt haben.
Die sino-amerikanische Zusammenarbeit durchbricht dabei den bilateralen Rahmen. Bei Themen wie der Bewältigung der internationalen Finanzkrise oder der Eindämmung der Proliferation von Nuklearwaffen arbeitet man eng zusammen.
Xi Jinping appelliert daher, dass China und Amerika unter den neuen Umständen die gegenseitigen elementaren und wichtigen Interessen respektieren und Differenzen in einer angemessenen Weise behandeln müssen. Als die zwei weltweit größten Wirtschaftssysteme und als ständige Vertreter des UN-Sicherheitsrates spielen China und Amerika bei der Frage nach einer ausbalancierten globalen Entwicklung und beim Schutz der weltweiten Stabilität eine wichtige Rollen.
Der dem chinesischen Volk noch bestens vertraute ehemalige Staatssekretär der USA Henry Kissinger sagte, dass die chinesisch-amerikanische Zusammenarbeit notwendig für den Weltfrieden sei. Eine Kooperation zwischen diesen beiden Staaten sei weit besser als ein feindliches Verhältnis. Beide Seiten sollten daher die gegenseitigen nationalen Belange anerkennen und auf der Basis von gemeinsamen Interessen zusammenarbeiten. Die Differenzen zwischen China und den USA dürften nicht außer Kontrolle geraten und konstruktive Lösungsansätze müssten gefunden werden.
Die bilateralen Beziehung zwischen China und den USA – Wo Licht ist, ist auch Schatten
Dennoch darf man nicht die Augen davor verschließen, dass die Probleme in den sino-amerikanischen Beziehungen seit zwei Jahren größer werden. Auf Ebenen wie der Politik, Sicherheit oder Wirtschaft ist die Vorsicht, Wachsamkeit und sogar feindliche Stimmung Amerikas gegenüber China unschwer zu erkennen.
Einige konservative amerikanische Politiker, Think-Tanks bzw. Vertreter der Medienlandschaft bringen sogar durch ihre Äußerungen und Verhalten zum Ausdruck, dass man sich sehr besorgt zeigt und man China in Schach halten möchte. Die Beispiele hierfür sind zahlreich. […]
Am 27. Januar 2012 meinte der zum Kommandeur der amerikanischen Pazifik-Flotte beförderte Robert Willard, dass die Beziehungen zwischen China und den USA auf strategischer Ebene weiter fortgeführt werden. In operativer und taktischer Hinsicht jedoch hat sich das sino-amerikanische Verhältnis nicht weiterentwickelt.
Teilweise liegt die Ursache hierfür darin, dass es an gegenseitigem Vertrauen mangelt. Willard glaubt, dass der asiatisch-pazifische Raum – ob nun jetzt oder in naher Zukunft – eine große Herausforderung für das amerikanische Militär darstellt. Dass Amerika sich weiterhin bemüht, eine enge Kooperation mit China aufrecht zu erhalten, ist nicht nur für die Region, sondern gerade für die beiden Länder selbst essentiell […].
Wahljahr 2012 in den USA – welche Rolle spielt China?
2012 ist Wahljahr in Amerika und unter normalen Umständen scheint die „China-Karte“ ein hitziger Diskussionspunkt innerhalb der Wahlen in den USA zu werden. Die wichtigen politischen Führer nutzen dieses Thema zur Erreichung unterschiedlichster Ziele, wobei die negativen und kritischen Stimmen sogar etwas offensichtlicher und mehr ins Auge fallen.
Anders als der zurückhaltende und harmonische Weg Chinas zeigt sich die amerikanische Außenpolitik immer noch äußerst unstetig. Stets braucht man einen fiktiven Gegenspieler und sogar Feind, damit die USA ihren Einfluss in der Welt vergrößern und man die Aufträge für die innerstaatliche Rüstungsindustrie vermehren kann.
Darüber hinaus möchten die USA sich aber aufgrund dieses Drahtseilaktes nicht unbeabsichtigt selbst schaden. Denn wenn die Lage ernst wird, dann gerät man in die selbst gestellte fiktive Falle. Deshalb erscheint es als sehr geregelte Konstellation, wenn man das friedliche und rationale China als den ständigen Gegenspieler aufbaut […].
Führt amerikanische “Invasionspolitik“ zu sino-russischem Schulterschluss?
Nimmt man die westlichen Staaten hinzu, so glauben bereits einige Fachleute, die sich mit strategischen Fragen auseinandersetzen, dass Amerikas Invasionspolitik zwangsläufig zu einem solidarischen Zusammenschluss zwischen Russland und China führen wird.
Einige unabhängige amerikanische Medienvertreter kritisieren, dass die Regierung das geregelte internationale Leben zum Einsturz bringt und durch diese Gefahr versucht, eine Erklärung für ihre die Erhöhung der Militärausgaben zu bieten. Viele amerikanische Wirtschafts- und Politikwissenschaftler wie zum Beispiel William Engdahl sind überzeugt, dass der Druck auf die iranische Wirtschaftspolitik Ausdruck eines politischen Verfolgungswahn ist.
Egal ob Russland oder China, beide halten sich in Hinsicht auf die derzeitige globale Politik der Amerikaner zurück. Wenn sich die USA jedoch nicht unter Kontrolle hat, wird dies dazu führen, dass sich Russland und China weiter annähern. Die daraus entstehende strategische Partnerschaft wird Amerika bereuen.
Es gibt aber auch chinesische Experten, die glauben, das Streben der USA nach „absoluter Sicherheit“ übt Zwang auf China und Russland aus. Die Annäherung zwischen China und Russland wäre somit das zwangsläufige Resultat des taktischen Geschiebes der USA und wäre auch die notwendige Wahl der Überlebensstrategie der beiden Nationen.
China und Russland dürfen sich nicht von der amerikanisch-europäischen Einheitsfront gegenüber dem Iran einschüchtern lassen, sondern sollten eine europäisch-asiatische Allianz aufbauen, um Amerika daran zu hindern, schwächere Staaten niederzumachen.
China muss dazu seine Politik der Blockfreiheit überdenken und seine Herangehensweise ändern, globale Aufgaben unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten und dem Wunsch nach Frieden zu behandeln und nach dieser übergeordneten Strategie seine Richtung festlegen.
Das Verhältnis zwischen Großmächten: alles ist gut, solange keiner aus der Reihe tanzt
Natürlich verbietet die Natur der Beziehung zwischen Großmächten die Verbreitung von Schreckgespenstern. Sie hat ihre eigene Entwicklungslogik und Regeln. Zu kritischen Zeitpunkten ist sie relativ klar und rational. Zu einem gewissen Grad besitzt sie immer noch ein ihr eigenes Fundament und Rationalität.
Gegenwärtig ist sie nicht so wichtig, wie es die Experten weiter oben beschrieben haben. Die sino-amerikanischen Beziehungen besitzen weiterhin ihre eigenen positiven Kanäle und Grundlagen. Zwar wird sich die strategische Partnerschaft zwischen China und Russland weiterentwickeln, jedoch wird sie nicht den Status einer strategischen Allianz erreichen.
Die stabile Dreiecks-Beziehung zwischen Amerika, China und der EU, die zwar keine Nachbarstaaten sind, wird in naher Zukunft immer noch durch einen geregelten Zustand des Verhältnisses zwischen Großmächten gekennzeichnet sein. Die Devise, welche man aber natürlich herausstellen muss, lautet: Amerika darf nicht über die Stränge schlagen!
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* Der Begriff der „friedlichen Entwicklung“ hat einen festen Platz in der außenpolitischen Rhetorik Chinas und findet sich z.B. auch in der Ãœberschrift eines Weißbuches zur chinesischen Außenpolitik wieder („China’s Peaceful Development“)
Zum Weiterlesen
Sebastian Fischer: „Fall Chen drängt Wahlkämpfer Obama in die Defensive“, auf Spiegel online, 05.05.2012
Bild: Pete Souza/White House